Ein digitaler Ausflug mit Partner Reinhard Gussmagg in die Welt der Auftragsmalerei für die Wirtschaft. Wir sprechen über künstlerische Darstellungsformen, die bei der Markenpositionierung und Unternehmensentwicklung unterstützen und komplexen Sachverhalten eine verständliche, einprägsame Form verleihen. Darüber hinaus unterhalten wir uns über die Rückbesinnung auf das vom Menschen Geschaffene, Authentische, jenseits von Hochglanzbroschüren und Selfie-Wahn.
Lieber Reinhard, wenn man dich googelt, stößt man auf einen Unternehmensberater und auf einen Künstler. Was davon – oder besser – wer bist du?
Ich habe ursprünglich eine technische Ausbildung absolviert und viele Jahre in der Wirtschaft zugebracht, im Sales und im Marketing. Zuletzt habe ich Management-Positionen in Österreich und im Ausland innegehabt. Dann kam eine Zäsur in meinem Leben und ich wagte den Sprung ins völlige Ungewisse mit einer ganz neuen Idee: Ich wollte aus meinen Business-Erfahrungen heraus Unternehmen durch meine künstlerischen Fähigkeiten bei ihrer Entwicklung und bei ihren Herausforderungen unterstützen.
Wie kam es zu diesem Gedanken?
Der Gedanke kam mir beim Betrachten von Empfangsräumen in Unternehmen, wo ich häufig auf Kundentermine wartete: Die Bilder dort waren entweder langweilig und unattraktiv, zeigten nicht sehr originelle Darstellungen von lachenden Menschen oder waren eine Ansammlung wilder Farbkleckse, die wohl als „besonders kreativ“ gelten sollten. Ich wollte hingegen die Identität von Unternehmen einfangen, um damit Aufmerksamkeit beim Kunden zu erreichen.
Abgesehen von Bildern für den Empfangsbereich von Unternehmen hast du noch einiges mehr zu bieten, oder?
Was ich mache, ist Vision Painting und Visual Storytelling. Ich kann Unternehmen beispielsweise bei der Organisationsentwicklung unterstützen, indem ich mit den Mitarbeitern gemeinsam in einem schöpferischen Prozess Zielbilder entwickle. Meine Bilder sind bei der Markenpositionierung hilfreich, besonders auch beim Erklären komplexer Produkte und Dienstleistungen. Mit Bildern kann ein gemeinsamer Zugang, ein gemeinsames Verständnis geschaffen werden. In gestalterischen Prozessen steckt Kraft und Dynamik, die resultierenden Bilder bewegen Menschen – sowohl intern, die Mitarbeiter, als auch extern, die Kunden. Dabei ist von der kleinen Skizze bis zum übermannshohen Acryl-Gemälde, von Auftragsarbeiten für Websiten und Rollups bis hin zu visuellen Workshop-Protokollen und Scribbles alles dabei.
Was sind Scribbles?
Scribbles sind unvollendete Zeichnungen, schnelle, bewusst schlampige Skizzen ohne Perfektionsanspruch, die nicht ins letzte Detail ausgestaltet sind. Da steht zum Beispiel ein geschlechtsneutrales Mensch-chen ohne Kleidung und Gesichtszüge mit einem – wenn auch wackeligen – Einkaufswagerl für den Kunden – jeder versteht das Symbol auf Anhieb. Scribbles schaffen Dynamik, lassen sich gut während Vorträgen oder in Kundengesprächen verwenden.
Deine künstlerischen Fähigkeiten manifestieren sich auch in Prozessen, sind also nicht nur als Produkte, sondern auch als Dienstleistungen fassbar?
Die Menschen wollen Geschichten hören. Beim Visual Storytelling geht es also darum, die Unternehmensbotschaften in eine Bildgeschichte zu packen. Bei der Methode „Customer Journey“ geht es zum Beispiel darum, Touchpoints vom Unternehmen zum Kunden zu identifizieren. Die Servicekette als Bildgeschichte darzustellen erleichtert den analytischen Zugang. Dank dieser Darstellungsform können Lücken erkannt werden und neue Servicekonzepte oder Produktideen generiert werden. Ich biete meinen Kunden an, sie während Vorträgen, Präsentationen, Workshops oder Events zu begleiten und ihre Inhalte im Prozess live zu illustrieren und zu protokollieren.
Wie gehst du vor, wenn du für jemanden eine Auftragsarbeit machst?
Ich habe schon ein strategisches Vorgehensmodell. Aus den Worten und Eindrücken, die ich im „Creative Briefing“ mit dem Kunden gewinne, kristallisiert sich ein Konzept heraus, in dem auch Symbolsprache und Farbpsychologie eine wichtige Rolle spielen. Da wird auch festgelegt, in welchen Kanälen und in welchem Medium ich arbeite – auf der Leinwand oder digital. Das fertige Konzept bespreche ich mit meinen Kunden – danach geht es an die Umsetzung. Während der Umsetzung kommt die intuitive Komponente stark zum Tragen.
Die künstlerische Freiheit kommt ins Spiel?
Ja, da handelt es sich wirklich um einen energetischen Transfer, der mich sehr beansprucht, manchmal auch auslaugt. In solchen Phasen gilt der letzte Gedanke am Abend und der erste am Morgen diesem Projekt.
Könnte man sagen, dass du in der Konzeptphase mehr Unternehmensberater, Analytiker bist, und in der zweiten dann mehr Künstler, mehr Kreativmensch?
Das trifft es sehr gut. Zu manchen Menschen findet man übrigens als Unternehmensberater besser Zugang, mit anderen kommt man als Künstler leichter in Kontakt.
Arbeitest du auch digital?
Ich arbeite zum Teil digital, auf dem I-Pad, mit Photoshop, aber auch konventionell, mit Acryl und Aquarellfarben. Das digitale Arbeiten hat den Vorteil, dass ich meine grafischen Darstellungen in Schichten aufbauen kann, wodurch sie sich beispielsweise in Power-Point-Präsentationen von Folie zu Folie zu einem gemeinsamen Ganzen fügen können. Manchmal verwende ich eine Mischtechnik und baue Fotografien von Acrylmalerei in digitale Collagen ein.
Wird es in 20 oder 30 Jahren noch Bilder am Papier oder auf der Leinwand geben?
Ja, sicher. Aktuell werden Kunden in der digitalen Welt ja überschüttet von Hochglanzwerbefotografien, wie sie perfekter nicht mehr sein könnten. Da beobachte ich aber schon einen Gegentrend – die Sehnsucht nach dem Haptischen, dem Greifbaren und vielleicht auch durchaus Unperfekten. Viele Menschen suchen den Weg vom Künstlichen wieder zurück zu authentischen Dingen, die vom Menschen geschaffen wurden. Letztendlich geht es auch darum, Orientierung in der digitalen Welt zu schaffen, die Komplexität zu reduzieren, sich nicht immer von Standardlösungen abhängig zu machen, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen und zu experimentieren. Ich frage mich manchmal, ob die junge Generation Smartphone überhaupt noch fähig sein wird, sich am Papier gestalterisch ausdrücken zu können. Da zählt im Moment noch „wer macht das beste Selfie“, und nicht mehr „wer kann einen Sachverhalt mit den wenigsten Strichen verständlich skizzieren“. Das Bildungssystem trägt auch sein Scherflein dazu bei, denn die kreativen Fächer sind unterbelichtet. Alles trachtet leider nach Standardisierung, Individualität wird oft unterdrückt.
Noch ein Blick in die Zukunft: Wird es irgendwann keine Texte mehr geben, wird die Bildsprache alltägliche Gebrauchstexte abgelöst haben?
Das glaube ich nicht. Um Symbole mit Sinn zu versehen, bedarf es immer noch des Mediums Sprache, zum Teil auch in meinen grafischen Darstellungen. Wenn es um hochpräzise Darstellung von Fachinhalten geht, ist Sprache natürlich ohnehin nicht wegzudenken. Aber das Medium Bild zeichnet sich dadurch aus, dass komplexe Inhalte und Emotionen dadurch leichter greifbar gemacht werden können als durch Sprache. Nicht zuletzt wird ja auch von Neuromarketing gesprochen – Vermarktung, die sich gezielt der Erkenntnisse der Neurowissenschaften bedient.
Das Medium Bild transportiert aber im Vergleich zum Text rascher Emotionalität, rückt in andere Perspektiven, fordert den Betrachter dazu heraus, sich intensiv mit dem Dargestellten zu beschäftigen und Lücken zu erkennen. Bisweilen setze ich ganz gezielt unperfekte, detailarme, noch unvollständige Skizzen dazu ein, um die Phantasie der Betrachter anzuregen und sie dazu zu bringen, das große Bild fertigzubauen. Das ist besonders in der Organisationsentwicklung ein sehr nützliches Instrument.
Manche Menschen wenden sich einer künstlerischen Betätigung zu, um dem Alltag zu entfliehen. Was machst du als Künstler, um deine Batterien wieder aufzuladen?
Ich reise viel und gerne, denn entgegen romantisch-naiver Vorstellungen vom Künstlerleben ist das Malen schon ein sehr kräfteraubender Prozess. Manchmal male ich auch selbst, nur für mich, ohne dabei Erwartungen erfüllen zu müssen, das ist schon entspannend. Bei meinen Auftragsarbeiten geht es hingegen ja darum, einen Zweck und Kundenerwartungen zu erfüllen, dafür gebe ich ja auch eine „Gefallensgarantie“.
Fotografierst du auf deinen Reisen oder hältst du die besonders schönen Momente malend fest?
Manches male ich tatsächlich, aber trotzdem ist der Fotoapparat immer mit dabei. Alles, was den visuellen Kanal anspricht, ist mir sehr wichtig. Doch wo ich auch bin, immer bin ich auf der Suche nach der noch nie dagewesenen Darstellungsform. Das ist meine große Leidenschaft.
Wie gefällt dir die Digitale Agentur?
Ich mag es, mit Netzwerkpartnern zu arbeiten, die unkonventionelle Wege gehen und den Mut haben, durchaus mal etwas Neues auszuprobieren. Die Digitale Agentur nehme ich als jung und dynamisch wahr, Entscheidungen werden rasch und unkompliziert umgesetzt. Mit den handelnden Personen ist man sofort befreundet. Eine sehr angenehme Art der Zusammenarbeit!