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„Native Apps kann man entwickeln, mein Glück nicht.“

Interview mit Andreas Reiterer über sein Spezialgebiet Native-App-Entwicklung. Über die Überwindung der Steinzeit in Produktionsstätten durch CMMS, digitale Sonnenstudien und die Kompromisse zur Erlangung digitaler Bequemlichkeit. Und darüber, dass man das persönliche Glück weder entwickeln noch kaufen kann.

Dein aktuelles Spezialgebiet ist Mobile App-Entwicklung. Dein Lieblingsprojekt?
Privat habe ich mir einmal einen Fitness-Tracker gebaut, mit dem man sich Ziele setzen kann. Wenn man laufen war oder Rad fahren, kann man selbst mitloggen und sehen, wie viel man von seinem Gesamtziel schon erreicht hat. Man definiert eine Sportart und definiert die Anzahl der Kilometer oder der Wiederholungen.

Der Fortschrittsstatus wirkt sehr motivierend, nehme ich an.
Ja, allerdings habe ich die App nie veröffentlicht.

Aktuell arbeitest du an einer Mobile App, die einige Schuhnummern größer ist: An einem Programm für die Industrie, einem Computerized Maintenance Management System (CMMS)?
Ja, genau. Solche Mobile Apps sind beispielsweise für Wartungstechniker gedacht und werden in Konzernen weltweit eingesetzt. Der Techniker steht also mit dem Mobilgerät vor der Maschine oder vor der Station, die er warten möchte. Dort kann er sich verschiedene Arbeitsgänge anzeigen lassen: Was ist notwendig, was muss überprüft, was muss repariert werden? Was erledigt wurde, kann abgehakt werden. Über spezielle Schnittstellen können Messwerte ausgelesen und Smart Data generiert werden. Zusätzlich gibt es eine Zeiterfassung über die App. Ist der Techniker wieder im Büro, werden die Zeiten mit dem dortigen System synchronisiert. Darüber hinaus kann man mit so einer App Ersatzteile erfassen. Damit kann man den Lagerstand im dahinter liegenden ERP-System beeinflussen, was wieder andere Abläufe triggert.

Dadurch ist es dann in den Systemen möglich zu definieren, welche Teile vorsorglich wieder bestellt werden müssen, um für die nächste geplante Wartung oder auch für den nächsten ungeplanten Reparatureinsatz gerüstet zu sein?
Genau. Wobei ja das Risiko ungeplanter Stillstände dank der präventiven Wartung sehr niedrig liegen dürfte. Außerdem kann dank der integrierten Zeiterfassung genau abgeschätzt werden, wie lange eine gewisse Wartung an einer bestimmten Maschine dauert und mit welchen Verzögerungen im Produktionsprozess daher zu rechnen ist. So können die Kettenreaktionen infolge der Verzögerungen gleich mitberücksichtigt werden.

Früher, in der „Steinzeit“ sozusagen, hat man also erst dann reagiert, wenn man gemerkt hat, aha, da funktioniert ein Motor oder ein Pneumatikzylinder nicht. Dann hat man mit Wartungsplänen nach der Stift-und-Papier-Methode gearbeitet, und die gibt es heute eben ganz bequem digital.
Richtig. Heute kommt es auch ganz stark auf die Technologie hinter der Applikation an, da muss man also auch technologisch immer am neuesten Stand sein, damit die verschiedenen Systeme aufeinander abgestimmt werden können.

Mobile App-Entwicklung für Laien erklärt: Apps sind ja letztendlich nichts anderes als Programme, mobile Apps wurden nur speziell für Mobilgeräte entwickelt. Gelten hier handwerklich andere Regeln?
Für Mobile-Entwicklung gibt es eigene Conventions, Usability Guidelines und Design Guidelines. Das hängt alles ein wenig davon ab, ob für Apple oder Google entwickelt wird. Programmiertechnisch gibt es neben den beiden Standard-Sprachen für Android und IOS weitere Programmiersprachen wie zum Beispiel React Native, eine Art Hybrid-Sprache. Die hat den Vorteil, dass sie sich sowohl für IOS als auch für Android eignet und nicht für das jeweilige System extra programmiert werden muss. Es wird also mit derselben Codebasis die App für Apple und Google generiert, es muss nicht zwei Mal gebaut werden. Das ist meiner Einschätzung nach die Zukunft.

Der Stellenwert von Digitalisierung generell für dich?
Dass man Zugriff auf fast alle Informationen hat. Dass man nirgends mehr hingehen muss oder jemanden kennen muss, der etwas weiß. Wenn man weiß, wonach man suchen muss und auch weiß, wie man suchen muss, dann kann man kann alles selbst herausfinden. Man muss dann nur mehr wissen, was man mit den Informationen tut.

Du bist auch als Blogger unterwegs?
Ja, das macht mir viel Spaß. Ich schreibe einen Blog über React. Ich recherchiere intensiv über ein spezielles Detailthema, veröffentliche regelmäßig und habe dadurch schon einige Follower gewonnen.

Wenn du bei „2 Minuten, 2 Millionen“ als Start-up oder als Juror wärst: Auf welches Pferd würdest du setzen?
Das ist eine ganz schwierige Frage. Darüber habe ich mir schon oft ernsthaft Gedanken gemacht, aber ich könnte es nicht sagen. Ich persönlich bin aber eher fasziniert von einem anderen Teil der Startup-Szene. Nämlich von den Firmen, die klein anfangen und langsamer wachsen – und das ohne Investoren – Bootstrapping also. Mit großen Investoren lässt sich das Wachstum natürlich beschleunigen, jedoch bringt so ein großes Investment auch einen großen Druck mit sich. Im Gegensatz dazu setzt man sich beim Bootstrapping seine Ziele ohne Investoren selbst. Ich finde, man sollte immer selbst die Richtung seines Unternehmens vorgeben können. Aber das ist meine subjektive Sicht.

Genau diese subjektive Sicht interessiert mich. Was würdest du am liebsten entwickeln?
Tja, wenn ich eine Idee für meine Traum-App hätte, würde ich mir die selbst bauen. [lacht]

Okay, das fällt also unter Geheimhaltung [lacht]. In welches Projekt würdest du mit ein paar Millionen „Spielgeld“ investieren?
Das muss eine App sein, die wirklich coolen Nutzen bringt. Es ginge mir also nicht darum, einfach irgendetwas zu erfinden und dann die Käufer dazu zu finden, sondern es müsste wirklich eine App mit ganz handfesten Vorteilen sein.

Was würde dir persönlich etwas bringen?
Hmm. Ich bin einfach wunschlos glücklich, das ist das Problem! [lacht] Aber Spaß beiseite – 2017 gab es eine App „BikerSOS“ von einem Linzer Startup, das fand ich schon sehr interessant. Die App kann mit einem Algorithmus durch eine Kombination aus GPS-, Beschleunigungs- und Rotations-Sensoren des Smartphones einen Unfall erkennen und setzt automatisch einen Notruf ab. Dadurch wird im Notfall wichtige Zeit gespart. Das ist mir als leidenschaftlichen Motorradfahrer natürlich sehr wichtig.

Dein Glück lässt sich also nicht entwickeln und erkaufen, bei der Gesundheit schadet das eine oder andere digitale Helferchen nicht. Wie sieht es mit dem Stellenwert von Digitalisierung bei dir privat aus. Bist du auch privat ein Digitalisierungs-Freak oder doch eher analog unterwegs?
Ich bin sehr digital unterwegs. Natürlich muss man auch gut aufpassen, speziell beim Datenschutz. Manchmal geht man dann aber schon auch Kompromisse ein, um gewisse bequeme Funktionen nutzen zu können. Zum Beispiel wäre ich glaube ich ohne die Cloud mit meinem zentralen Terminkalender verloren. Das ist schon ein Segen, alles zentral an einem Ort zu haben!

Bei der neuen Wohnung habe ich mir eine Haussteuerung dazu bauen lassen. Diese Woche bekomme ich die letzten Teile, dann kann ich mir meinen eigenen Home-Server einrichten. Damit kann ich dann zum Beispiel vom Handy aus das Licht ein- und ausschalten und verschiedene Szenenkonfigurationen laden. Licht, Rollo, Heizung, Fernseher, Anlage – alles ist dann vernetzt und theoretisch auch von außen steuerbar.

Das heißt, wenn du dann spätabends von der Arbeit nach Hause kommst, kannst du schon vom Zug aus die Musik einschalten und die Kerze anzünden.
Genau [lacht]. Ist auch tagsüber sehr nützlich, zum Beispiel, um die Raumtemperatur um ein paar Grad zurückzufahren, wenn das Handy nicht im WLAN ist, weil niemand zu Hause ist. Besonders cool sind auch Jalousien, die der Sonne folgen.

Da sind also Sensoren eingebaut?
Das muss ich noch konfigurieren, Sensoren gibt es da noch keine. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, mit Wetterstation oder mit einer Wetter-API, die den Sonnenstand auslesen kann und anhand des Winkels und der Lage des Hauses genau berechnen kann, wohin das Licht fällt. Das kommt noch, wenn die Zeit da ist.

Herzlichen Dank für das Gespräch und viele sonnige Stunden beim App-Entwickeln und im digitalen Zuhause!

Andreas Reiterer
Beruf: Senior-App-Entwickler bei axtesys
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