MSc ETH Bernhard Mühlburger, Head of R&D/Industrie 4.0 bei M&R Automation GmbH, über die digitale Blumenwiese der IT-Welt, die Vogelperspektive ohne Scheuklappen und das Bewusstsein, dass die Verdrängung vom Markt grundsätzlich jede Branche treffen kann.
Herr Mühlburger, was haben Sie bisher mitgenommen vom Kongress? Was war für Sie das Interessanteste, das Aufschlussreichste, Überraschendste?
Für mich waren zwei Dinge sehr interessant: Erstens die Erkenntnisse aus der Medienbranche, wie Disruption tatsächlich zuschlagen kann, nachdem man es sich vielleicht davor länger schönredet. Und zweitens der letzte Vortrag über ethische Verantwortung und dass das Mittel nicht zum Ziel werden darf. Das halte ich für sehr relevant.
Sind das Aspekte, die Sie konkret mitnehmen können in Ihr Unternehmen oder ist das aus der Metaperspektive relevant?
Ich denke, es ist aus der Metaperspektive wichtig, dass man sich den Gesamtkontext vor Augen hält, ohne Scheuklappen aufzusetzen. Dass mir die Fassung der Glühbirne [Anm. d. Red. im übertragenen Sinne der ethische Rahmen] auch den Halt gibt und die Kraft. Ich glaube das ist sehr relevant.
Könnte Ihrer Einschätzung nach Disruption bei der IT-Branche auch zuschlagen?
Disruption, also der Prozess, dass ein bestehendes Geschäftsmodell oder etwa ein ganzer Markt durch eine stark wachsende Innovation abgelöst wird, kann zwar prinzipiell jede Branche treffen. Dieses Risiko sehe ich aber momentan bei der IT-Branche nicht, da sie ja auch mitunter Treiber der Digitalisierung ist. Andere Branchen wie die Medienbranche wurden und werden dagegen von der Digitalisierung stark verändert.
M&R ist ja bereits im Industrie 4.0-Bereich tätig. Gibt es hier einen klar vorgezeichneten Weg?
Wir haben eine klare Vision und auch eine Zeit gebraucht, um die für uns herauszufinden. Das muss jedes Unternehmen tun, das ist einfach ein Arbeitsprozess. Industrie 4.0 ist ein bunter Blumenstrauß an Themen, von denen man nicht alle gleichzeitig angehen kann. Man muss sich anhand der vorhandenen Kompetenzen und anhand der Geschäftsfeldmöglichkeiten und internen Nutzen, die man sieht, gewisse Blumen herauspicken bzw. Projekte priorisieren. Da haben wir definitiv etwas vor uns – wir sind ja Anlagenbauer und haben unsere Anlagen schon sehr lange vernetzt. Aber es gibt sicherlich noch einiges herauszuholen, nicht nur was Datengewinnung, sondern auch Informationsgewinnung angeht. Wir haben ja heute schon gehört, dass es sehr wichtig ist, diese Differenzierung zu machen – es geht also auch darum, das anzustreben – den Betreibern, Instandhaltungsverantwortlichen und Produzenten mehr Tools bereitzustellen, damit sie noch mehr Transparenz haben. Und natürlich damit auch für uns Türen zu öffnen, neue Optimierungsdienstleistungen an den Anlagen vorzunehmen. Wir müssen uns auch ganz klar vom reinen Maschinenbau in Richtung Softwareentwicklung hinarbeiten. Das stemmen wir auch intern durch eigene Ressourcen. Dabei ist eine große Herausforderung, die Attraktivität des Maschinenbaus für die Software-EntwicklerInnen zu erhöhen. Das treibt mich persönlich an.
Fühlen Sie sich von den Rahmenbedingungen, von der Wirtschaftspolitik her gut aufgehoben?
Es kommt immer auf den Kontext an – aber grundsätzlich ja, definitiv. Gerade in der Steiermark gibt es sehr viele Programme für kleine und mittlere Unternehmen, wir zählen allerdings schon zu großen Unternehmen – da müssen wir uns auch auf nationale Ebene begeben.
Auch Forschungsprojekte oder hauptsächlich Umsetzungsprojekte? Welchen Stellenwert hat Forschung in Ihrem Unternehmen?
Wir beschäftigen uns stärker mit Umsetzungsprojekten. Gewisse Innovationen schweben uns schon lange vor, aber wir handeln selbstverständlich auch oft kundengetrieben. Um gewisse Sachen in unserem Umfeld auszutesten, braucht es oft auch Investitionen – das ist ein Risiko, das man tragen muss, da sind wir mitunter auf direkte oder indirekte Förderung angewiesen. Doch der Stellenwert der Forschung in unserem Unternehmen steigt. Wir arbeiten auch bei Einreichungen mit, wobei es für meinen Geschmack noch zu wenig ist, das könnten wir ruhig noch ausbauen.